Gestern Abend war ich schon ziemlich fertig. Sobald es körperlich an die Grenzen geht meldet sich sofort der innere Schweinehund und hinterfragt diesen ganzen Unsinn. Dann kommt man bei Dämmerung durchgefroren und ausgekühlt in einen fremden Ort, sucht eine Unterkunft mit Wifi, geht einkaufen und ggf. essen, und stellt dann fest, dass es doch kein Internet gibt. Also Blog schreiben offline vorbereiten. Ansonsten war das Hotel aber sehr gepflegt. Mir wurden sogar die Taschen hochgetragen. 23 Uhr schlafen. Eigentlich hätte ich todmüde sein müssen, aber das Einschlafen ist schwer gefallen. Zu viele Gedanken. Oder der Coca-Tee zum Abendessen hatte eine recht belebenden Wirkung. Draußen die ganze Nacht Hundegebell. Haben mich wahnsinnig gemacht. Halb zwei wachgeworden. Die Blase. 2h wachgelegen. Optionen für die nächsten Tage durchgegangen. Irgendwann wieder eingeschlafen. 6 Uhr: der Ort erwachte. Wieder Hundegebell. Hilft ja alles nix, muss ja weiter. Erst mal die nächsten zwei Tage bis nach Húanuco. Knapp 160km. Es wird heller. Zum Frühstück Haferflocken mit ein paar gefüllten Weizenkissen und Trinkjoghurt. Sachen gepackt, zur Rezeption auschecken, keiner da. Zettel mit Telefonnummer hängt an der Tür. Anrufen hat funktioniert, ein paar Minuten später kam jemand, öffnete mir die Tür zum Hinterhof, wo mein Fahrrad inmitten einer Hühnerschar stand. Aber alles OK. Taschen dran und los. Es ist hell, auf den Straßen ein paar Menschen. Nicht wenige grüßten freundlich. Der Ort ist schnell verlassen und es ging flußabwärts. Nicht ganz so steil, wie ich vermutet hatte, aber es rollt ganz gut. Ist noch frisch, aber in der Sonne angenehm warm. Kaum Verkehr, wieder tolle Landschaft, Straße etwas holprig aber OK, die Stimmung stieg.
Immer wieder Tiere am Wegesrand. Es gibt halt nicht nur schwarze Schafe, sondern auch schwarze Schweine. Die hatte ich heute häufiger gesehen.
Ein paar Blüten. Erinnern mich immer an mein Holde, die ich sehr vermisse. Auch diese Blume sah ich heute mehrfach.
Nach 20km kam die Ortschaft La Union. Am Ortseingang bei einer älteren Dame Wasser und Bananen gekauft. Im Ort selbst nur Lehmstraßen, die Hauptstraße eine Baustelle. Also eine Nebenstraße genommen. Irgendwo läuft eine Marschkapelle durch die Straßen. weitere Umleitungen. Irgendwann bin ich in einer Sackgasse geraten, wieder zurück, über den Fluß und weiter. Gibt definitiv schönere Orte.
Weiter den Fluß entlang. Die Straße meistens asphaltiert, aber immer wieder von kurzen Schotterabschnitten unterbrochen. Einige Autofahrer hupen, Daumen hoch, Peacezeichen. Auch viele Menschen am Straßenrand grüßten mit einem Lächeln im Gesicht. Kinder winkten ebenfalls. Diese Offenheit ist mir bisher hier noch nicht begegnet. Ein Angler im Fluß versuchte sein Glück.
Heute waren mehrere Esel auf dem Weg, dieses Mal auch ein Jungtier.
Immer wieder saßen, meistens ältere Frauen, am Straßenrand oder im Hang und hüteten ein paar Tiere, die in der näheren Umgebung am grasen waren.
Wieder zuwinkende Kinder. Hier in der Gegend hörte ich zum ersten Mal, dafür mehrfach, das Wort „Gringo“. Ob es ein freundlicher Ausdruck ist, weiß ich nicht, aber so wie es gesagt wurde, vermute ich mal nicht. Ebenfalls von großen Interesse war meine Herkunft: „Quel pais“ (oder so)? Welches Land. „Alemania“.
Die Häuser entlang der Straße allesamt sehr einfach. Meistens aus Lehmziegeln. Die Gegend gehört meiner Einschätzung nach zu den ärmeren. Vor den Häusern saßen auch immer wieder Menschen einfach nur rum, ohne einer erkennbaren Tätigkeit nachzugehen oder auf irgendwas zu warten.
Nach 32km entlang des Flusses, ging es 8km bergauf. Es ging auf Mittag zu, die Sonne heizte kräftig ein, aber mit der Erkenntnis von gestern, dass ein langsameres Fahren mich am Ende doch schneller an’s Ziel bringt kam ich gut den Berg hinauf. Eine gewisse Zufriedenheit stellte sich ein. Bisher waren auch alle Hunde friedlich.
Einige der Frauen strickten auch, während sie auf die Tiere aufpassen. Auch im Stehen.
Ja und manchmal muss man sich einfach am Allerwertesten kratzen, wenn’s juckt.
Wo es hoch geht, da geht es auch irgendwann wieder runter. Die letzten 1-2km auf Schotterpiste. Konzentration war wieder gefragt. In diesem Fall endete die Abfahrt beim Zusammenfließen zweier Flüsse. Der Ort noch weniger einladend wie La Union. Ein Durchfahrtsort für viele LKWs. Rechts ab und den neuen Fluß hinauf. Ab hier wechselte der Straßenbelag zwischen Asphalt, Asphalt, der von Schlaglöchern zusammengehalten wurde und Schotterpiste. Letztere auch gerne mit Waschbrettprofil (=Querrillen). Aber es ging immer stetig voran. Allerdings kamen die Hunde wieder auf den Genuß, mir nachzujagen. Immerhin haben selbst die Einheimischen mit Steinen nach den Hunden geworfen und mir so bei der Weiterfahrt geholfen.
Jede Stunde eine Pause zum Essen eingelegt, wie hier oberhalb eines Fußballplatzes. Ab und zu ein kurzes Hupen und Zuwinken oder Zunicken.
Auch sie grüßte mich freundlich mit Buenos Tardes. Ich fragte, ob ich ein Foto machen dürfte und sie stimmte zu. Auch wenn die Menschen hier nicht viel zu haben scheinen, gerade die Frauen tragen häufig solcher Art Kleidung.
Und immer wieder Tiere. Bin heute quasi durch einen großen Bauernhof gefahren. Kühe, Schweine, Ziegen, Hühner, Esel, Pferde, alles dabei.
So abgelegen die Gegend hier auch sein mag, auf der Straße war relativ viel los. Nach Mittag nahm der Verkehr auch merklich zu, was gerade auf den Schotterabschnitten zu einigen Staubaufwirbelungen führte.
Hier und da kam links aus den Bergen ein kleiner Zufluß. Woher das ganze Wasser kommt, ist mir allerdings schleierhaft. Von Regen fehlt hier bisher (und zum Glück) jede Spur.
Nach weiteren 20km einigermaßen flachen flußaufwärts begann der nächste Anstieg. Dummerweise hatte ich vergessen, wie lang dieser sein wird und so zog es sich ein wenig.
Das Foto von dem weißen Toyota Corolla Kombi habe ich deswegen gemacht, weil mich heute bestimmt 30-40 weiße Toyota Corolla Kombis überholt haben oder mir entgegen gekommen sind.
Wenn jemand weiß, wofür diese Konstruktionen sind, so möge er dies doch bitte kund tun.
Blick auf die andere Flußseite. Die Serpentinen musste ich einfach fotografieren.
Mit der Verkehrssicherheit nimmt man es hier nicht so genau. Wenn irgendwo Platz auf einem Gefährt ist, kann da auch jemand sitzen. Auf einem LKW-Dach saßen auch mehrere Leute. Bei den Schotterabschnitten ist es ein Wunder, dass nicht hier und da einer runterfällt.
Nach knapp 11km stetigen bergauf konnte ich den Zielort Chavinillo schon sehen. Zu dumm, dass es noch mal 100m runter und auf der anderen Seite wieder hoch ging. Aber auch das ging vorbei. Der Ort selbst ist solala, hatte mir etwas mehr versprochen. Liegt am Hang, ein paar Querstaßen (ohne Asphalt versteht sich) sind durch Treppen verbunden, Internet Fehlanzeige. Aber wieder freundliche und hilfsbereite Menschen. Den Weg zum „Hotel“ wurde mir von einem Jugendlichen gezeigt. Das Hotel selbst schien zu zu sein. Ein nahestehender Mann hat aber in der nebenstehenden Apotheke drauf aufmerksam gemacht, dass ich ein Zimmer suchte. Kurz darauf öffnet sich eine kleine Tür und eine ältere Frau hat mir ein Zimmer gegeben. Sogar sie hat mir zwei Taschen abgenommen. Für 15 Soles konnte ich hier übernachten. Ein einfaches Zimmer mit einem Bett, einem kleinen Tisch und einem Stuhl. Immerhin Steckdosen und Licht. Gemeinschaftsbad mit eiskalter Dusche. Umgezogen und im Ort nach was essbarem Ausschau gehalten. Es gibt kaum Einkaufsmöglichkeiten und die Restaurants hatten alle zu. Habe aber das Notwendigste (Wasser, Trinkjoghurt, Müsli, Bananen, Nudeln) bekommen. Habe mir dann mit meiner eigenen Küche ein paar Nudeln mit einem Brühwürfel gekocht. Tomatensauce habe ich leider keine gefunden. Als Nachtisch ein Schokotoffee aus der Heimat. So langsam wird allerdings der Vorrat knapp. Klingt fad, aber es wird mich den nächsten Berg hochbringen. Und der kommt bestimmt.
Nach den trüben Gedanken vom Vorabend war es doch ein heiterer Radfahrtag. Schöne Landschaft, viele freundliche Menschen, gutes Wetter, die Beine haben mitgespielt, eigentlich alles in Ordnung. Heute wieder die Bestätigung bekommen: je weniger die Menschen haben, desto netter und freundlicher werden sie. Vor ein paar Tagen zwischen Carhuaz und Huaraz hat keiner Notiz von mir genommen.
Wo ich hier gerade am schreiben bin, scheint sich doch tatsächlich noch ein weiterer Hotelgast eingefunden zu haben. Hätte ich nicht erwartet. Draußen bellen wieder ein paar Hunde. Vielleicht kann ich sie ja heute ausblenden.
Was von der Statistik: Heute war mein 19ter Fahrtag und habe die 100h im Sattel überschritten. Dabei habe ich bisher knapp 1700km und 18500hm abgestrampelt.
Respekt…allein wenn man auf das Hohenprofil schaut…!
Um mich nicht ständig zu wiederholen , Daumenhoch für die Berichte / Einblicke !
Und lass dir nicht von wenigen unguten Momenten, die ganzen schönen Erlebnisse und Eindrücke schmälern oder ankratzen . Denk an dein Hohenprofil, es geht auf und ab, und nach einem Tief kommt immer wieder ein Hoch (bzw ein Berg ?), das es anstrengend wird , liest man zwar nicht ständig und viele von uns hätten bestimmt nicht ansatzweise bis hier hin folgen können , aber das wusstest du ja. Von daher gute Fahrt weiterhin, und wenn fehlendes WLAN eins der Hauptprobleme ist, alles gut ??